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Die Letzte Generation vs. Fridays-for-Future: Von disruptiven Klimaprotesten zu diskursiver Polarisierung?
Klimaprotestbewegungen werden zuweilen als polarisierend wahrgenommen, jedoch nicht alle im gleichen Maße. Protestbewegungen, die den Straßenverkehr blockieren, werden als störender empfunden als angemeldete Demonstrationen, die eine konventionellere Protestform repräsentieren. Unkonventionelle, illegale oder störende Protestformen führen jedoch nicht zwangsläufig zu einer Ablehnung der zugrunde liegenden Intention, wie etwa des Klimaschutzes. In der Tat können radikale Bewegungen die Solidarität für moderatere Protestformen sogar steigern. In Deutschland ist die Befürwortung für Klimaproteste dennoch deutlich zurückgegangen seitdem die „Letzte Generation“ (LG) verstärkt in Erscheinung getreten ist (More in Common, Umfrage 2023). Dieser Protestorganisation wird vorgeworfen, die Klimadebatte weiter polarisiert zu haben. Vor diesem Hintergrund untersuchen wir, ob störende Formen von Klimaprotesten die Polarisierung der Klimadebatte in Deutschland verstärken und welche Akteure diese Polarisierungsprozesse vorantreiben.
Im Folgenden sollen die Ergebnisse unserer manuellen und computergestützten Inhaltsanalyse zu Mediendiskursen in den Jahren 2022 und 2023 in Deutschland vorgestellt werden. Der analysierte Korpus umfasst über 12.000 Nachrichtenartikel sowie 5.000.000 Twitter-Beiträge und ermöglicht einen Vergleich der Debatten über Fridays for Future (FFF) und die Letzte Generation (LG). In diesem Forschungsprojekt untersuchen wir, ob sich die Diskurse sowohl in den Medien als auch in den Sozialen Medien hinsichtlich ihres Grades an „diskursiver Polarisierung“ unterscheiden. Dabei definieren wir „diskursive Polarisierung“ als die Anwendung extremer Perspektiven sowie das Auftreten schädlicher Interaktionen in beiden Kontexten.
Die Analysen der Twitter-Debatten zeigen, dass Diskurse über die Letzte Generation (LG) zwar mehr Aufmerksamkeit auf sich ziehen, jedoch auch zu antagonistischeren und extremeren Frames führen. In diesen werden Demonstrierende beispielsweise als Terroristen oder Mörder bezeichnet. Diese Aggressionen richten sich nicht nur gegen die LG als Organisation, sondern auch gegen deren Online-Unterstützer:innen. Die Befürworter:innen der LG konzentrieren sich hingegen hauptsächlich darauf, Maßnahmen gegen den Klimawandel aufzurufen und die Handlungen der Bewegung zu verteidigen. Dabei propagieren sie nur sehr selten extreme Weltuntergangsszenarien oder greifen das oppositionelle Netzwerk-Cluster an. Die Twitter-Debatten über Fridays-for-Future ziehen ebenfalls extreme und unangemessene Inhalte an, jedoch stammen diese von einem relativ kleinen Netzwerk-Cluster politisch rechtsgerichteter Nutzer:innen.
Ein ähnliches Muster zeigt sich in der journalistischen Berichterstattung: Beiträge über FFF sind generell weniger toxisch und konzentrieren sich auf das zentrale Anliegen der Bewegung, die Klimagerechtigkeit. Im Gegensatz dazu wird die LG vorwiegend durch die Linse von Extremismus- und Kriminalitäts-Frames diskutiert. Während extreme und toxische Berichterstattung über FFF fast ausschließlich in rechtspopulistischen Medien zu finden ist, durchzieht diese Art der Berichterstattung die gesamte Medienlandschaft, wenn es um die Proteste der Letzten Generation geht. Dies zeigt, dass die Sprache rechtspopulistischer Medien in Bezug auf störendere Protestformen auch in anderen Medien übernommen wird.
Wir argumentieren daher, dass insbesondere rechtspopulistische Protagonisten:innen – sowohl politische Akteure als auch Medien – maßgeblich für die anfängliche Verbreitung polarisierender Inhalte in Klimaprotestdebatten verantwortlich sind. Dies führt zu einer „asymmetrischen Polarisierung“ der Debatten in Online- und Nachrichtenmedien: Die gesamte Diskussion wird toxischer und orientiert sich zunehmend an Frames, die ursprünglich von rechtspopulistischen Akteuren verbreitet wurden. Zwar zitieren Medien vor allem extreme Stimmen und teilen diese nicht zwangsläufig in ihren Kommentaren, jedoch tragen Journalist:innen entscheidend dazu bei, dass bestimmte Frames an Bedeutung gewinnen. Während die LG die Polarisierung auslöste, wurde diese durch politische und mediale Akteure weiter verstärkt. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass der Prozess der Diskurspolarisierung durch das Zusammenspiel von Politik, Journalismus und digitaler Mediennutzung vorangetrieben wird, wobei die Funktionalitäten digitaler Plattformen diesen Effekt zusätzlich beeinflussen.
Meyer, H., Farjam, Rauxloh, H., M., & Brüggemann, M. (2023, under review). From Disruptive Protests to Discursive Polarization? Comparing German News on Fridays for Future and Letzte Generation. OSF Preprints. https://doi.org/10.31219/osf.io/jkaw8