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Happy to disagree: Drivers of affective and ideological polarization in interpersonal discussions
Während Polarisierung in den USA am stärksten ausgeprägt ist, zeigt sich auch in den europäischen Demokratien zunehmend, dass eine Kluft zwischen verschiedenen Bürgergruppen entsteht. Gleichzeitig nimmt die Dringlichkeit der Klimakrise zu und wird dabei von einigen politischen Eliten verstärkt in Kulturkriegdiskurse eingebunden. Obwohl der wissenschaftliche Konsens über den Klimawandel besteht, unterscheiden sich Bürger, je nach ihrer Betroffenheit und ihrem Umgang mit den Auswirkungen des Klimawandels, sowohl in ihren politischen Einstellungen als auch in ihrer Haltung gegenüber aktivistischen Maßnahmen.Wir verstehen Polarisierung als einen dynamischen, diskursiven und interaktiven Prozess, der durch Kommunikation – sei es im direkten Austausch oder über Medien – erzeugt, geformt, verstärkt oder auch reduziert werden kann. Dieser Beitrag konzentriert sich auf die zwischenmenschliche Kommunikation, die Revers und Coleman als Mikropolarisierung bezeichnen (demnächst veröffentlicht), und untersucht, wie affektive und ideologische Spaltungen auf der Makroebene in der kommunikativen Interaktion hervorgebracht, verhandelt oder überwunden werden.
Wir richten unseren Fokus auf den Klimawandel als ein stark politisiertes Thema, das unterschiedliche Gruppen von Bürgern zur variierenden affektiven Beteiligung bewegt und dabei teilweise traditionelle ideologische Grenzen überschreitet. In dieser explorativen Studie nutzen wir unmoderierte dyadische Gespräche, also Dialoge zwischen jeweils zwei Teilnehmenden. Unsere Untersuchung der Mikropolarisierung erfolgt im Vereinigten Königreich und in Deutschland, beides Länder, die ein ähnliches Ausmaß an Klimaleugnung aufweisen (YouGov, 2019). Für diese Studie wurde eine Stichprobe von 80 selbst ausgewählten deutschen und 50 britischen Bürgern herangezogen. Die Rekrutierung erfolgte über eine Zusammenarbeit mit der Initiative „My Country Talks“ in Deutschland und mit The Daily Mirror im Vereinigten Königreich. Für die Gespräche wurden Teilnehmende mit gegensätzlichen Positionen zum Klimawandel gepaart, basierend auf einer vorangegangenen Umfrage, die ihre Ansichten zu Klimaaktivismus und Klimapolitik erfasste. Die jeweils zwei Teilnehmenden führten unmoderierte Online-Videogespräche, in denen sie ihre Standpunkte diskutierten. Jedes Gespräch dauerte etwa eine Stunde.
Nach Abschluss der Konversationen füllten die Teilnehmenden eine zweite Umfrage aus, um mögliche Veränderungen in ihren Ansichten zu den besprochenen Themen (ideologische Polarisierung) sowie in ihren Gefühlen gegenüber ihrem Gesprächspartner (affektive Polarisierung) zu erfassen. Zusätzlich wurden die Interviewtranskripte hinsichtlich dieser beiden Kategorien sowie einer Vielzahl von Sprechakten kodiert, die entweder zu einer Polarisierung oder einer Depolarisierung der Diskussion beigetragen haben. Erste Ergebnisse unserer Analyse deuten darauf hin, dass zwischenmenschliche Gespräche affektive Depolarisierung begünstigen, jedoch die ideologische Polarisierung verstärken. Die affektive Depolarisierung wird offenbar durch die Identifikation von Gemeinsamkeiten oft unabhängig von ideologischen Positionen sowie durch die Wahrnehmung von Gesprächsbereitschaft und die Wertschätzung der Perspektive des Gegenübers gefördert. Diese Interaktionen, die auf persönlicher Ebene stattfinden, sind dennoch eng mit der öffentlichen Darstellung von Ideen und Emotionen durch politische Akteure verbunden, spiegeln diese wider und nehmen auf diese Bezug.
Im Gegensatz dazu scheint ideologische Polarisierung, die oft mit einer Fehlwahrnehmung der Identität des Gegenübers einhergeht, in den Gesprächen häufiger verstärkt zu werden als affektive Polarisierung. Interessanterweise tritt ideologische Polarisierung in einigen Fällen gleichzeitig mit affektiver Depolarisierung auf. Dies geschieht oft durch aktives Zuhören und empathisches Verhalten, wodurch sich einige Teilnehmende trotz unterschiedlicher Meinungen wohler damit fühlen, Meinungsverschiedenheiten zu akzeptieren und mit Teilnehmenden, die anders denken, auszukommen. Weitere Analysen werden untersuchen, wie die unterschiedlichen Dimensionen von Polarisierung und Depolarisierung innerhalb der Interaktion antagonistische Tendenzen entweder verstärken oder abschwächen. Ein tiefergehendes Verständnis der Polarisierung auf der Mikroebene könnte darüber hinaus wesentliche Einblicke in die diskursive Polarisierung auf der Makroebene bieten.